18. Palaver Leistung am 5. April

Kaffee und Kuchen ab 14:30 , Austausch und Diskussion ab 16:00, danach gemeinsames Abendessen. Einige Teilnehmer kommen Freitagabend bis Sonntag.

Aus Wahlkampfzeiten ist bei mir hängen geblieben: Leistung muss sich wieder lohnen. Da ist wohl gemeint, dass am Ende genügend Geld dabei rauskommen muss. bzw. zumindest mehr, wie wenn man Bürgergeld bezieht. Eine perverse Neiddebatte unter Benachteiligten, die darauf hinauslaufen soll, Bürgergeld zu kürzen, anstatt Mindestlohn zu erhöhen.

Leistungsloses Einkommen von denen, die von Erbschaften oder großen Vermögen leben, steht weniger im Fokus, ist aber wohl relevanter bzw. schädlicher für das Gemeinwohl.

 Mir fällt ein: Leistung sollte Spaß machen. Etwas getan haben, was gelungen ist und deshalb eine innere Befriedigung vermittelt. Vielleicht sogar stolz sein auf die eigene Leistung.

Kommt dann noch Lob von außen hinzu, ist das eine schöne Zugabe. Ein Selbstwertgefühl und eine gewisse Unabhängigkeit von äußerer Bestätigung ist jedoch haltgebend.

In einem Liedtext von Rio Reiser wird dieser Zwiespalt besungen: fängt der Jagdhund das Kanin, heißt es: so ne tolle Leistung. Doch wenn ich nen Drachen bau, rosarot und himmelblau, juckt das keine Sau.

Also: weder geht es bei Leistung immer um Geld noch um Anerkennung von außen, vielleicht viel wichtiger um innere Zufriedenheit.

Die Formulierung: die beste Version seiner selbst habe ich auch schon benutzt, aber in dem Sinne: dass man sich eben mit seiner Unvollkommenheit, seiner Mittelmäßigkeit annimmt und darauf aufbauend …  trotzdem Stolz ist auf das, was man macht bzw. zuwege bringt

Es gibt skeptische Anmerkungen, wenn die beste Version durch einen Plan oder Anforderungen von außen vorgestellt wird: du kannst alles erreichen, alles werden, wenn du es nur willst bzw. daran glaubst. Mit der Methode  xy …
Letzteres führt dann auch oft zu narzisstischen Nöten, weil es aufgesetzt ist und die innere Leere bleibt.

Leistung in der Physik ist wohl Arbeit pro Zeit. Die Leistung der Glühbirne wird in Watt gemessen.
Im Kapitalismus geht es bei Leistung oft um Produktivität, also wieviel kann mit der Maschinen oder Handarbeit einer bestimmten Zeit hergestellt werden. Je mehr desto besser.

Da ist Leistung dann messbar, zumindest leichter zu beurteilen.

Noch einfacher in sportlichen Disziplinen: wer läuft am schnellsten die 100m, wer hat am Ende mehr Tore geschossen. Leistungssport spielt eine große Rolle in unserer Gesellschaft. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft.

Der Philosoph Byung-Chul Han warnt vor ihren Fallen: wir sind nicht mehr in der Lage in der Zeit zu verweilen. Wir haben das Leistungsprinzip so weit verinnerlicht, dass wir aus uns selbst heraus meinen, jede Zeit optimal nutzen zu müssen. Selbst in der Freizeit. Oder wir überlegen, ob wir nicht noch mehr Aktivitäten in unsere Zeit hineinpacken können, um weniger zu verpassen.

Man kann sich gut vorstellen, dass das auf Dauer zu Erschöpfung, Burnout, Angstzuständen und innerer Leere führen kann.

In einem Bericht aus der Psychiatrie lese ich: Manche haben es offenbar nicht eilig, (aus der Psychiatrie) rauszukommen, und fühlen sich ganz wohl. Dies versteht man besser, wenn man sich den „ganz normalen Wahnsinn“, speziell den Leistungsdruck draußen, vor Augen hält.

Andererseits, um Leistung nicht komplett zu verteufeln: wir haben als Menschen Lust, etwas gut oder besser zu machen. Das kann dann aber auch der Drachen sein, s.o. Und wenn man konzentriert und in Ruhe etwas arbeitet, lässt sich erstaunlich viel bewerkstelligen. Das kann bei Handarbeiten hier auf dem Hof ein schönes Gefühl sein, wenn man sich mit der nötigen Geduld darauf einlässt. Anstatt ungeduldig zu fragen, ob es nicht einfacher sei mit einer Maschine die Arbeit zu „erledigen“. Mit der gewonnenen Zeit lässt sich dann wieder … das Hamsterrad antreiben.


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