Hof – Philosophie

Die Texte unten sind Auszüge aus dem seit 2013 entstandenen Biokulturkochbuch. Das gibt es jetzt im Buchhandel

Rezepte im doppelten Wortsinne, Kochen und die Haltung zur Welt betreffend.

Angesichts fortschreitender Zerstörung von Lebensgrundlagen, zunehmender Einsamkeit und sinnloser Arbeit ist eine andere Haltung zur Welt und zum sozialen Miteinander gefragt, die schon bei unserem Selbstverständnis ansetzt: dazu auch die kürzere Schrift Innehalten, Weltanschauung, Orientierung.

Auch beim Obstbaumschnitt geht es darum, in der Natur nicht nur nutzbare Objekte zu sehen, sondern Gegenüber mit Eigenleben.

Diese Schriften sind als PDF herunterzuladen:

Wie es zu dem Namen Biokulturhof kam

Der neue Hof brauchte einen Namen. Ihn einfach nach den Vorbesitzern zu nennen, hätte zwar für Einheimische den Wiedererkennungswert erhöht, gleichzeitig aber nicht gerade zu Ansehen verholfen. Na ja, in einiger Hinsicht hatten die Vorgänger schlecht gewirtschaftet… Meinen Gästen von weiter weg hätte der Name gar nichts gesagt.

Auf der Suche jonglierten ein Freund und ich bei den Renovierungsarbeiten im Flur des Hauses mit den Namen Bio, Hof, Biohof, Kultur und heraus kam der Biokulturhof.

Das war damals noch ziemlich intuitiv und unreflektiert.

Es schien uns so, als könnte der Name passen für alles, was auf dem Hof passieren konnte: von Boden kultivieren bis Musik machen. Eher der Name für ein Programm, das vieles offen ließ und eben auch Spielraum bot.

Was hat Bio überhaupt mit Kultur zu tun?

Kultur wird oft als das angesehen, was der Mensch macht soweit er sich dadurch über seinen Status als reines Naturwesen hinaushebt. Manchen gelten gleich alle Ergebnisse menschlicher Tätigkeiten als Kultur unabhängig oder im Gegensatz zu dem, was Natur (aus)macht. Ein Qualitätskriterium für diese Tätigkeiten gibt es dann nicht, auch Zerstörung oder Ignoranz ist dann Kultur. Verbreitet wird Kultur mit Wissenschaft, mit Literatur, mit Kunst assoziiert als einer Art höherer Kultur oder mit Errungenschaften oder Techniken des Alltags. Qualität ist da mitgedacht: Brauchbarkeit, Lebenserleichterung, Fortschritt, Erbauung, Erhöhung.

Ursprünglich kommt „Kultur“ vom kultivieren des Bodens. Ich sehe Kultur als Prozess, bei dem versucht wird, das Vorgefundene weiter und höher zu entwickeln. Um das zu können, muss man das Vorgefundene erst verstehen und als Basis akzeptieren. Beispiel Boden: Wie funktioniert natürliche Bodenfruchtbarkeit, wie kann ich sie nutzen und erhalten oder möglichst noch fördern?
Da sind wir ganz schnell bei der biologischen Landwirtschaft. Und ich meine: zwangsläufig!
Bei konventioneller Landwirtschaft kommt im Extrem Fruchtbarkeit aus dem Sack, der Boden ist nur noch Gefäß und Standort. Natürliche Bodenfruchtbarkeit geht verloren, wird nicht gebraucht,
Das geht bis zu naturfernen Eigenkonstruktionen, bei denen der Salat auf Glaswolle wächst und am Nährlösungstropf hängt. Geht auch, wie auch Menschen durch Infusion ernährt werden können. Als „Kultur“ im ursprünglichen Sinne von Höherentwicklung kann ich das nicht sehen.

Wenn wir eine menschliche und nachhaltige Kultur wollen, dann müssen wir das Vorgefundene berücksichtigen. Was Natur macht, ausmacht, wird dann zur Grundlage.

Kultur meint dann nicht Wissenschaft oder Literatur oder Kunst, sondern ist ein Standpunkt, eine Art, eine Vorgehensweise, sich den Dingen zu nähern unter Berücksichtigung natürlicher Grundlagen.

Wenn wir die menschliche Kultur völlig unabhängig oder im Gegensatz zu Natur definieren, dann liegt vielleicht da ein Problem unserer Zeit: Naturentfremdung. Auch wir als Menschen sind Natur und leben in und von Natur.

Wenn bei Natur(verständnis) oft nur an Schönheit einerseits und Krankheiten und Katastrophen andererseits gedacht wird, geht vieles unter:

  • Vertrauen in die eigene Ausstattung: keine Angst vor Krankheiten, vor Keimen, vor Dreck. Was macht (hält) uns gesund.
  • Keine Angst vor alltäglichen Gefahren: wir können (müssen) lernen, damit umzugehen: lebe wild und wagemutig.
  • Keine Massentierhaltung unter Quarantänebedingungen (die Natur draußen lassen).

Die Anfangsfrage lässt sich also auch umgekehrt stellen: Geht Kultur überhaupt ohne Bio?

Ich meine : nein!

Pädagogische Absichten. Wozu der Biokulturhof gut sein kann

Es ging mir immer um die Förderung von Naturverständnis, auch bei den pädagogischen Zielen.
Und so komme ich zum Beispiel von der artgerechten Tierhaltung zur „artgerechten Menschenhaltung“: Raum und Material anbieten, damit sich Kinder entfalten und ihre Umwelt erobern können und sich selbst dabei einschätzen lernen. Man kann ihnen das zutrauen: auf Bäume klettern, alleine in den Wald gehen, ein scharfes Messer benutzen. Mehr noch: man sollte es ihnen zutrauen. In einer Umgebung, die das ermöglicht, können Kinder wachsen. Sie sind natürlicherweise vorzüglich dafür ausgestattet. Auch hinfallen und wieder aufstehen kann(sollte) gelernt werden.

Kinder brauchen Risiken, um sich selbst zu erfahren und zu entwickeln. Besser an überschaubaren Risiken üben und die eigene Lebendigkeit spüren, als sich später den großen Kick zu verpassen. In einer „risikofreien“ Umgebung aufzuwachsen, ist nicht natürlich und keineswegs förderlich.

Auf dem Hof gibt es eine Werkstatt mit guten Werkzeugen für Kinder und Erwachsene: Sägen, Hämmer, Bohrer, Raspel, Hobel, Schnitzmesser, Stechbeitel. Besonders „gefährliche“ Werkzeuge sind in einem Schrank eingeschlossen und können herausgegeben werden, wenn das Zutrauen da ist. Außerdem gibt es Verbrauchsmaterial: Holz, Nägel, Leim, Kordel. Wenn Erwachsene nicht ihren Kindern helfen oder zuschauen wollen, ist auch für sie etwas dabei: z.B. mit scharfen Schnitzmessern einem Stück Espenholz auf den Leib rücken. Nichts gefällt Kindern mehr und regt sie mehr an als handwerklich tätige Erwachsene. Viele Kinder verbringen viele Stunden in dieser Werkstatt.
Für alle Altersklassen gibt es Farben(Tempera-, Aquarell-, Acryl- ) und Pinsel und Papier.

Kletteraktivitäten finden meist direkt auf dem Hof statt: Scheune mit Heuballen, Seile, Bretter. Bäume in der Umgebung werden seltener benutzt.

Ein letztes Jahr eingerichteter Zugang zum kleinen Bach wurde diesen Sommer relativ selten benutzt. Dabei könnten da doch Staudämme gebaut und nach Herzenslust gematscht werden.

Auch ein wildes Stück mit Felswand und Wald und kleinem Bach auf der eigenen Weide etwas weiter weg vom Hof wird leider noch zu wenig als Spielmöglichkeit erobert(s. Bild) Vielleicht bietet die unmittelbare Umgebung des Hofes schon genug Möglichkeiten und es braucht auch Zeit, den Radius zu erweitern.

Raum und Material, andere Kinder und tätige Erwachsene, was fehlt da noch für eine artgerechte Menschenhaltung: der Umgang mit Tieren und Pflanzen, allgemein mit anderen lebendigen Wesen.

Kinder werden von Tieren angezogen. Fast alle. Es gibt kleine Knirpse, die es nur zum Traktor hinzieht und die Tiere anscheinend ziemlich uninteressant finden. Was ich sehe, beruht das manchmal auch auf Unsicherheit den Tieren gegenüber. Wie funktionieren die? Wo sind da die Knöpfe dran zum Bedienen? Und so kommt es, dass kleine Kinder manchmal Angst haben schon vor Hühnern oder Katzen, falls die interessiert auf sie zukommen: Was wollen die von mir?
Bei Erwachsenen ist diese Unsicherheit auch verbreitet, selbst wenn sie gerade sagen: „Du brauchst keine Angst zu haben, Johanna, die Hühner machen nichts“. Wenn insbesondere kleine Jungs dann irgendwann merken, dass die Hühner mehr Angst haben als sie selbst, fangen sie an mit Begeisterung zu scheuchen. Zumindest solange, bis ich einschreite. Und das tue ich immer. Ich versuche, Tiere davor zu bewahren, schlechte Erfahrungen machen zu müssen (die Katze wird sich schon wehren, wenn sie am Ohr gezogen wird). Sie sollen auf meinem Hof ausgeglichen und umgänglich bleiben.

So ist es auf dem Biokulturhof möglich, zwischen den Tieren zu sein und ihnen zu begegnen. Hier kann mehr möglich sein als im Tierpark oder Zoo, wo es oft oberflächlich darum geht zu wissen, wie Tiere aussehen. Hier hat man die Chance zu erfahren, was Tiere für Leute sind. Wie sie uns Menschen in vielen Verhaltensweisen gleichen, s. das Beispiel mit der Angst. Oder mit der Eifersucht, wenn die Hündin einen anstupst und sich vordrängelt, wenn eine Katze oder ein Schaf gestreichelt wird. Oder der Neid oder – ja, das gibt es auch: der Respekt am Futtertrog.

Wenn Kinder dann anfangen, das Krähen des Hahnes zu imitieren, stundenlang junge Katzen streicheln oder ihnen beim Spielen zusehen, dann sehen wir, wie fasziniert Kinder sein können von dieser Lebendigkeit der Tiere, die so anders ist als ihre eigene, in der sie ihre eigene aber auch wiederfinden können bzw. gespiegelt sehen.

Manchmal geht das leider auch in die Richtung, dass Katzen eher wie Puppen, also wie Dinge behandelt werden, sodass gar keine Begegnung wirklich zustande kommt. Wie im richtigen Leben halt.

Ich bin überzeugt, dass der Umgang mit Tieren oder mit Natur ganz wichtig ist für Kinder, für die eigene Entwicklung und das Selbstverständnis. Ein Umgang auf einer Ebene ohne Sprache, deshalb vielleicht noch näher an den Kindern dran.

Bei Erwachsenen würde man eher sagen, dass der Umgang mit Tieren sie zur Ruhe kommen lässt, eine Erdung stattfindet und mehr Gelassenheit Raum gibt, auch das Gefühl von Zeitlosigkeit: im Offenstall den Schafen, Eseln und dem Pferd beim Mampfen von Heu zusehen und zuhören.

Faktenwissen und Schule werden in ihrer Bedeutung für die Kinder und für die Gesellschaft überschätzt.

Dennoch, auf dem Biokulturhof kann man sich auch Wissen über Tiere aneignen, sozusagen nebenbei. Und man kennt die Tiere, über die gesprochen wird:
Wie lange ein Huhn auf dem Nest sitzt, um ein Ei zu legen. Dass ein Huhn erst brütet, wenn es aufhört, Eier zu legen, den Legesingsang einstellt und nach der hormonellen Umstellung zur Glucke wird mit dem entsprechenden Lockton für Küken. Dass befruchtete Eier sich besser halten als unbefruchtete, weil letztere ja im Sinne der Fortpflanzung unnütz sind.
Nicht Wissen auf Vorrat, sondern Wissen im Kontakt und aus Interesse an der Wirklichkeit.

Ernährung und Naturentfremdung

Gedanken zu Unverträglichkeiten und Diätwahn(aus einer Mail zum neuen Jahr)

Liebe Freunde und Gäste

Zum neuen Jahr 2016 wünsche ich allen viel Vertrauen in und viel Freude mit der eigenen Ausstattung.

Okay, okay, niemand, der mich nur etwas kennt, erwartet vom mir die Erfüllung materieller Wünsche voranzustellen, aber nach Friede Freude Eierkuchen klingt das nicht sogleich.

Apropos Eierkuchen: Elisenlebkuchen bestehen ja fast nur aus Eiern und gemahlenen Nüssen.
Dazu ein bisschen nussiges Vollkornmehl , Lebkuchengewürze nicht zu knapp und ganz ganz kaum Zucker, damit der gute Geschmack nicht überdeckt wird.
Schade nur, wenn man eine Nussallergie hat oder keine Eier verträgt.
Ich koche ja öfter für Gäste, und immer mehr Menschen haben immer mehr Unverträglichkeiten.
Dabei trifft es oft die, die doch besonders besorgt und vorsichtig vorgehen. Sich gut informieren.
Schon vorsichtshalber Laktose und Gluten und und und weglassen. Selbst spärliche und widersprüchliche  Erkenntnisse zu Cholesterin und Omega-3-Fettsäuren versuchen zu berücksichtigen.
Kein Zufall, meine ich.
Denn da ist am Anfang eine wichtige Entscheidung gefallen, über die evtl. gar nicht nachgedacht wurde. Das Vertrauen in gewachsene gewöhnliche Lebensmittel ist abhanden gekommen. Bauchentscheidungen gelten als Schwäche. Stattdessen: ich denke, also mache ich Diät. Konstruierte Lebensmittel und damit Kontrolle statt Einlassen sind angesagt.
Auf Grundlage so rel. weniger Einzelerkenntnisse geht das zwangsläufig schief und läuft auf eine Art Selbstbekämpfung hinaus, eine Bekämpfung der eigenen Natur.
Und liegt damit voll im Trend.
Ich nenne nur Schönheitsoperationen, Schweißbekämpfung und Haarentfernung. An all das haben wir uns gewöhnt. Es ist normal geworden. Im Einzelfall von wünschenswert bis nicht weiter schlimm eingeordnet.
Eben nur die kulturspezifische Variante von Selbstinszenierung  für eine optimale Performance.
Nach nur wenigen Jahrzehnten Entwicklungszeit wird sie jedoch kaum derjenigen überlegen sein, die sich über Jahrhunderttausende unter wahrscheinlich allzeit strengeren Auslesebedingungen  entwickelt hat.
Der Geruchsinn z.B. ist ein ganz altes Hirnteil mit grundlegenden Steuerungsaufgaben für unsere soziale Performance. Warum wir wen riechen können oder nicht, verstehen wir bisher nur in Ansätzen. Da so rum zu pfuschen, wird kaum Verbesserungen bringen.
Noch problematischer finde ich jedoch die ablehnende Einstellung der eigenen Natur gegenüber.
Wie sollen da z.B. Selbstheilungskräfte zur Entfaltung kommen, wenn keine  positive Grundhaltung die Basis bildet. Angst macht krank. Auch die Angst, etwas Falsches zu essen.
Die Entwicklung und Verstärkung von Empfindlichkeiten, Unverträglichkeiten und Allergien ist so wahrscheinlich. Das kann sich bis zu Essstörungen ausweiten.
Gewisse Unverträglichkeiten sind normal. Wir können darauf vertrauen: Leben ist auch beim Essen Auseinandersetzung und Verständigung, nicht Kontrolle und Bekämpfung. Die Macht der eigenen Gedanken und damit die Selbstbeeinflussbarkeit ist groß, in beide Richtungen hin, als Selbstheilung oder als Selbstzerstörung. Und was mal da ist, kriegt man schwer wieder weg. Also lieber vorher entscheiden.

In diesem Sinne also wünsche ich allen einen versöhnlichen Umgang mit der eigenen Natur(=Friede), und damit auch Gesundheit und Lebensfreude. Und Eierkuchen, s. Rezept Elisenlebkuchen.

Selbstbekämpfung ist auch kein Beitrag zur Weltrettung, wie manches naturentfremdete und somt selbstentfremdete Ernährungskonzept städtisch trendiger Herkunft suggeriert:
vegan: nein danke