17.Palaver Sucht 8. März 2025

Kaffee und Kuchen ab 14:30 , Austausch und Diskussion ab 16:00, danach gemeinsames Abendessen. Einige Teilnehmer kommen Freitagabend bis Sonntag. Der Schwerpunkt des folgenden anregenden Textes: wie entsteht Sucht, wie entwickelt sie sich. Wer ist gefährdet bzw. wann sind wir gefährdet, in Richtung Sucht abzugleiten. Gibt es auch gesellschaftliche Verhältnisse, die die Entstehung von Sucht begünstigen?

Im letzten Palaver hatten wir es mit sinnvollen Gewohnheiten. Suchtverhalten bei der Internetnutzung und die Auswirkungen (digital sein Leben verlieren) haben jedoch im Austausch bereits einen großen Raum eingenommen.

Soweit ich das überblicke, sind die ersten Schritte zur Sucht oft Ausweichbewegungen.

Jemand kommt abends spät von der Arbeit nach Hause und trinkt zum Abschluss des Tages ein Glas oder eine Flasche Wein. Macht ein angenehmes Gefühl. Das eigentliche Problem ist aber vielleicht: der Tag war anstrengend ohne befriedigende soziale Kontakte, und zu Hause ist sonst auch niemand. Dagegen müsste oder könnte man etwas tun. Aber die Flasche Wein tut es erst mal auch. Eine Gewohnheit bildet sich. Das eigentliche Problem aber bleibt.

Im letzten Palaver hatten wir über Gewohnheiten gesprochen. Sie sparen Mühe des Nachdenkens und machen das Leben einfacher. Eine Art Belohnung. Nebenbei: auch Gewohnheiten können zwanghaft werden, wenn man sich nicht mehr getraut oder nicht in der Lage ist, etwas zu verändern. Auch eine Sucht?

Es gibt viele andere Gelegenheiten, auszuweichen: die Arbeit kann erfolgreich sein, aber letztlich unbefriedigend und eine innere Leere hinterlassen. Allein oder In Gesellschaft kann man sich unsicher fühlen oder man möchte besser performen. Oder man drückt sich davor, Erlebnisse zu verarbeiten, die unangenehm oder belastend nachwirken.

Dann ist eine Überforderung da und der Griff nach der Tafel Schokolade, zur Zigarette, zum Bier oder zu anderen Drogen lenkt ab und beschert noch ein gutes Gefühl. Oder man geht etwas Schönes kaufen, auch wenn man gar nichts (mehr) braucht, bzw. schon das nicht alles braucht, was man schon hat. Medienkonsum hat inzwischen eine herausragende Rolle.

Das ist ein weit verbreiteter Mechanismus. Ich will ihn gar nicht pauschal schlecht reden. Wie alles im Leben hat es ja eine Funktion. Erst mal kann es ja helfen. Zum Problem wird es, wenn die Ausweichbewegung bzw. der Griff zur Droge zur Gewohnheit werden. Die Chance, die eigentlichen Probleme zu bearbeiten, werden damit immer geringer. Die Ausweichgewohnheiten übernehmen die Kontrolle über das Verhalten. Substanzgebundene Sucht verursacht körperliche Schäden, zumal die Wirksamkeit mit der Zeit nachlässt und die Dosis immer mehr erhöht werden muss, um Effekt zu erreichen. Dann geht auch irgendwann die Fähigkeit verloren, wenigstens nach der zweiten Flasche Wein oder dem siebten Bier aufzuhören. Die Sucht hat sich etabliert.

Auch zunehmende Vereinzelung und Einsamkeit begünstigen Suchtverhalten und umgekehrt führt Sucht auch oft zu sozialem Rückzug.

Selbst Ratten sprechen nur auf mit Heroin versetztes Wasser an bis zur Selbstzerstörung, wenn sie alleine sind. In der Gesellschaft mit anderen Ratten und mit anderen Ablenkungen interessieren sie sich nicht für Heroin.

Die Frage ist, ob wir nicht in einer Gesellschaft leben, die um Sucht herum aufgebaut ist bzw. um Strukturen, die Sucht begünstigen.  Die Droge Konsum lenkt allenthalben ab von einer authentischeren Lebensweise. Aber auch die Abhängigkeit von Anerkennung im Außen durch großartige Leistungen und die dafür notwendige glatte Selbstdarstellung können uns von uns selbst entfernen und Sucht begünstigen. Nächstes Palaver Thema Leistung!

So gibt es auch Arbeitssucht und Sport kann Suchtcharakter haben oder auch Yoga und Meditation als Sucht:

Wenn Yoga zur Sucht wird. Steckt alles, was wir im Außen suchen bereits in uns? Gütsel Online, Gütersloh, OWL live

Alles, was wir im Übermaß tun, sofern es eben zur Betäubung oder Ablenkung dient um die innere Leere nicht wahrnehmen zu müssen oder anstehenden Problemen aus dem Weg zu gehen.

Sich Problemen zuzuwenden ginge leichter, wenn sie als gewöhnlich und unabwendbar angesehen würden. Es ginge darum, sie zu regulieren und damit umzugehen, ohne perfekte Lösung. Mehrdeutigkeit und Unmöglichkeit von vollständiger Kontrolle und Sicherheit auszuhalten und gelassener zu werden, auch wenn das in unserer Gesellschaft nicht angesagt ist

Machbarkeit allenthalben und technologische Möglichkeiten erzeugen bisweilen rauschhafte Gefühle von Selbstmächtigkeit und nähren die Illusion einer möglichen vollständigen Kontrolle und Sicherheit.

Das ist aber nicht möglich und macht Stress und unfrei.

Statt Orientierungslosigkeit und Unverfügbarkeit auch auszuhalten und eine Ohnmachtskompetenz zu erwerben. Das muss nicht bedeuten, zu resignieren, sondern aus innerer Überzeugung zu gestalten und eben nicht abhängig zu sein von Entwicklungen, die man eh nicht kontrollieren kann.

Was gesellschaftliches Engagement und Veränderungen anbelangt, darf man seine Ziele nicht zu hoch ansetzen. Man kann auch unter Idealen leiden, wenn sie an der Realität scheitern und zu Ideologien werden und man auf der Suche nach Selbstvergewisserung nur noch weiß, wo die Gegner sind, Da bleiben als Ablenkung nur noch Grabenkämpfe, Hass und Krieg. Vielleicht auch eine Art Suchtverhalten? Geholfen ist damit niemand.

Und wie kommt man von der Sucht los.

Gesellschaftliche Veränderungen könnten sicher einen Beitrag leisten.

Eine frühe Möglichkeit wäre, eine Gewohnheit durch eine andere zu ersetzen. Eine Tasse Tee statt der Flasche Wein. Das ist oft einfacher als mit einer Gewohnheit aufzuhören.

Im fortgeschrittenen Stadium geht die Abkehr oft nur über den totalen Absturz und die dann notwendige Therapie. Der sanftere Weg vorher braucht oft noch mehr Kraft.

Umso wichtiger bleibt es, sich die Mechanismen klarzumachen, die zur Sucht führen können.

Bzw. gelassener zu werden und anzunehmen, was da ist, damit Ausweichbewegungen nicht die Regel werden.


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