Veranstaltung Palaver Macht am 14. Januar 2023
Der Begriff Macht wird je nach Zusammenhang mit verschiedensten Interpretationen verwendet. Meist ist Macht negativ besetzt und geht mit Herrschaft und Unterdrückung einher, bisweilen gilt Macht jedoch als positive und gestaltende Kraft.
Hier nur ein paar Stichworte. Eine Rundmail mit einem ausführlicheren Text kann angefordert werden.
Staatsmacht als institutionalisierte Macht oder Herrschaft kann vorliegen als feudale Macht
die ihre weitgehende Unangreifbarkeit daraus bezieht, dass diese Ordnung „schon immer so bestanden hat“ , dass sie Gott gegeben ist usw.
Herrscher können so gütig und vom Volk angenommen sein, aber in der Regel sind Gewaltanwendung und Willkür nicht weit. Gehorsam ist also ratsam, will man nicht Leib und Leben riskieren.
In unserer Gesellschaft lässt sich Macht nicht mehr so leicht verorten. Im einfachsten Fall lassen sich noch verschiedene Machtapparate und Netzwerke ausmachen.
Es ist im Kern eine Art Disziplinierungsmacht.
Über Gesetze, Regeln und Vorschriften wird gesteuert. Alles wird normiert. Bürokratie allenthalben.
Die Macht soll nicht mehr an Personen gekoppelt sein, sondern an Funktionen: der Richter, der Minister(übersetzt: Diener), also alles legal und rational.
Disziplinierungsmacht dient auch in vielen Bereichen dazu, die Produktivkräfte in einer Arbeitsgesellschaft zu erhöhen: wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.
Dabei stoßen eingesetzte Zwänge und Verbote jedoch an ihre Grenzen.
Inzwischen ist aber die den Kapitalismus stützende Denkweise des Verwertens und des mehr und schneller und effektiver der Leistungsgesellschaft so sehr etabliert bzw. entwickelt in allen Bereichen eine solche Sogwirkung, dass eine neue Machtform mehr in den Vordergrund tritt: die Beeinflussungsmacht, die direkt auf das Verhalten der Menschen zielt. Durch neue Medien sind die Möglichkeiten dazu gegeben. Das ist der Wolf im Schafspelz. Sie kommt sozusagen freundlich einher. Sie sagt nicht mehr nein, sie wirkt nicht mehr von außen, sondern von innen: „Sei du selbst, habe Mut“. Jeder darf bzw. soll frei entscheiden, wie er sich zurichtet, um seine Leistung bringen zu können.
Halten wir zwischendrin aber fest: hinter Gesetz und Bürokratie steht die Gewalt und in der Praxis bleibt selbst feudales Verhalten bei Regierenden oder Willkür weiter möglich. Ebenso wird Disziplinierungsmacht nicht einfach abgelöst, sondern wird ihrerseits optimiert und bleibt weiterhin bestehen.
Zurück zu Beeinflussungsmacht: Wir kennen das von der Werbung: sie wirkt an der bewussten Auseinandersetzung vorbei. In der Politik ist es aber inzwischen kaum anders. Diese Praktiken haben überall Einzug gehalten.
In der Regierung gibt es immer größere Presseabteilungen (500 Mitarbeiter in der PR Abteilung der Bundesregierung, die nur die Aufgabe haben, die Regierungspolitik zu verkaufen)
Neben der direkten Manipulation gibt es weitere Mechanismen, durch die Menschen beeinflussbarer gemacht werden, z.B. durch die Erzeugung von Angst, durch Verwirrung und durch soziale Isolation
Und es geht noch weiter bzw. tiefer. Es geht um die Grundlagen des zustimmenden Verhaltens: die mentale Optimierung. Das Ziel ist erreicht, wenn:
Selbstoptimierung und Unterwerfung, Freiheit und Ausbeutung zusammenfallen
Hier ein Goethe Zitat: „Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein.“
Zwischen einzelnen Menschen, sozusagen horizontal, gilt Macht als die Fähigkeit, sich gegenüber jemand anderen durchzusetzen oder jemanden zu hindern an etwas. Bisweilen gibt es die Meinung, Macht sei am größten bei völliger Zustimmung bzw. im gesellschaftlichen Kontext, je mehr ja zu ihr sagen. Meiner Meinung nach ist sie dann zwar stabiler, nicht aber größer. Und wenn jemand völlig zustimmt, dann liegt meiner Meinung gar kein Machtverhältnis mehr vor.
In einer Gesellschaft kann Zustimmung bedeuten: ich möchte dazu gehören, z.B. zur Mehrheit, ich möchte durch Anpassung meine Chancen bewahren, nehme lieber Nachteile in Kauf, mich zu wehren ist mir zu mühsam usw.
Deshalb fällt meiner Meinung nach auch ein ja zur Macht nicht völlig mit Freiheit zusammen, nur weil man auch nein sagen könnte.
Nietzsche finde ich in dem Zusammenhang interessant. Bei ihm ist ein Wille zur Macht auch ein Wille zu sich selbst und so durchaus positiv zu sehen.
Zitat:
„Wille und Wollen sind damit eng verwoben mit der Deutung des Lebens. Die Lust an der Macht sieht Nietzsche in der durch die integrative Lebensinterpretation gewonnenen Freiheit. Das damit verbundene positive Gefühl erklärt sich aus der überwundenen Unfreiheit, der abgelegten „hundertfältig erfahrenen Unlust der Abhängigkeit, der Ohnmacht.“[7] Deshalb hat der freieste Mensch „das größte Machtgefühl über sich.“[8]
An dieser Stelle ließe sich wieder die Brücke schlagen zu einem früheren Palaver: Selbstfindung
Und die Frage stellen, ob nicht heute durch Manipulation und Überfremdung die Spur der Macht bis in unser Selbst hinein zu beobachten ist.
Gibt es so etwas wie eine innere Leere, gefüllt mit Schlagworten, sodass wir schon von daher nicht in der Lage sind, wirklich selbst Stellung zu beziehen.
Wir haben eine eigene Meinung, aber woher?
Wir versuchen, einer bestimmten Rolle gerecht zu werden. Aber warum gerade dieser?
Da niemand von Manipulation frei sein dürfte, hier die Empfehlung, sich ab und an die Frage zu stellen, ob man auch anders denken könnte als man denkt. Oder, das wird Einstein zugeschrieben: Öfter mal versuchsweise das Gegenteil denken.
Auch, damit man sich nicht zu sehr mit der eigenen Meinung identifiziert.
Diethard