Palaver  11 Geld am 18. November

Es geht weniger darum, wer mit welchen dubiosen Geschäften wie Geld macht oder die völlig ungerechte Verteilung des Geldes. S. dazu evtl. den Film von E. Wagenhofer: „Let´s make money“. Vom gleichen Autor hatten wir beim letzten Heubodenkino den Film „Alphabet“ gezeigt.

Es geht schwerpunktmäßig darum, wie Geld das soziale Miteinander beeinflusst.

Dabei fallen mir zwei systemkritische Richtungen ein

1.) Geld wird immer mehr zum dominierenden Agens, um teilhaben zu können, zu vermögen, handeln zu können. Es sind nicht mehr die entwickelten Lebenskräfte, die Fähigkeiten, die Tugenden, aus denen heraus jemand produktiv wird. Die werden oft vernachlässigt. In einer Tauschgesellschaft käme es aber zuförderst darauf an. Auch das Ansehen einer Person wird mit Geld in Verbindung gebracht. Wer viel hat, zu dem wird aufgeschaut. Er wird höchstens beneidet. Fragen nach Gerechtigkeit oder Moral bleiben in unserer Gesellschaft außen vor.

2.) Viel Geld zu haben verleitet zu der Illusion, unabhängig von anderen zu sein. Gegenseitige Abhängigkeit wird als unangenehm begriffen. Freiheit gilt nur mehr als die Freiheit des Individuums. Jeder ist(allein) seines Glückes Schmied. Indem weitere Bereiche der Lebenswelt über Geld organisiert werden (z.B. Pflege, hilfreiche Gespräche als Coaching oder Therapie usw.) wird die Individualisierung weiter vorangetrieben. Zur Selbstoptimierung lässt sich dann auch alles kaufen, was gebraucht wird: Kurse über geeignete Kommunikation, zu Achtsamkeit und Hilfsmittel wie künstliche Intelligenz. Selbst der eigenen Meinung vertraut man kaum noch. S. dazu auch mein Gegenvorschlag in meiner Neujahrsepistel zu 2023; „Selbsthilfegruppen für alle“.
Macht und Ohnmacht liegen bei dieser Konstruktion jedoch nahe beieinander. Wem es in dieser Gesellschaft nicht gelingt, etwas aus sich zu machen, ist eine einsame Person voller Schuld- und Versagensgefühlen.

Was also tun?

Es gilt, das dargestellte als gesellschaftliches Problem, nicht als individuelles Problem zu sehen.
Eine Therapie wäre also eher für die Gesellschaft angesagt und nicht, wie oft empfohlen, für die, die als gesunde Reaktion an der Gesellschaft leiden. Individuelle Ansätze wie Techniken der Entspannung mögen hilfreich sein um sich zu sammeln und wieder zu Kräften zu kommen, bleiben andererseits, sofern man sich darauf beschränkt, unpolitisch bzw. stabilisieren das System. Auch Achtsamkeit ist längst im Mainstream angekommen und voll integriert (Militär, große Konzerne) und führt in der Regel zu unterwürfiger Anpassung ohne wertende Urteile.

Auch viele interessante Kontakte zu haben und individuelle Freiheiten auszukosten schützt nicht vor Vereinzelung und Einsamkeit. Es kann sogar Kraft kosten, immer strahlend und positiv denkend sein zu wollen oder zu müssen.

Erst wenn wir uns zugestehen, dass wir andere brauchen und auch unsere Schwachstellen mit einbringen dürfen, können wir uns wirklich verbinden. Das will wieder geübt sein, am besten an konkreten Projekten der Gemeinschaftsbildung.

Selbst Palaver können dazu ein kleiner Anfang sein. Beim letzten Palaver „Paarbeziehung“ hat es seine Zeit gebraucht, sich zu öffnen, und gemeinschaftliche Lösungen der angeschnittenen Probleme sind nur wenig angesprochen worden. Aber schon der Austausch über scheinbar „private“ Paarprobleme kann hilfreich sein und gemeinschaftsbildende Wirkung haben.

Diesmal geht es um ein neues Übungsfeld: den Umgang mit Geld

Ich hatte bereits auf ein Interview in der Taz hingewiesen: : Zu elft ein Bankkonto teilen: „Gemeinschaft üben“ – taz.de

Es wird von den Organisatoren auch zumindest als „mikropolitisch“ eingestuft. Dabei geht es auch darum, andere Menschen zu inspirieren und über die Wirksamkeit von Kollektiven und Gemeinschaften nachzudenken. Nach dem Motto: „Zu elft kein Geld zu haben, ist einfacher, als alleine keins zu haben“. Es kann also mehr Sicherheit geben und vielleicht auch den Mut stärken, mehr auf die Entwicklung der eigenen Kräfte zu setzen, anstatt nur das zu machen, was im System gefragt ist und Geld bringt.

Wie also ist es möglich, von dem wegzukommen: „Geld regiert die Welt“

Dabei sollte Geld soziales Gestaltungsmittel sein und nicht die Gesellschaft beherrschen. Inwieweit pfuscht es in unseren Umgang miteinander hinein, ohne dass uns das jedes Mal voll bewusst ist?
Wenn wir meinen, untereinander auf Euro oder gar Cent abrechnen zu müssen um Gerechtigkeit walten zu lassen, ist das nicht die völlig falsche Ebene in einer im Großen ungerechten Welt. Wie ist jemand zu Geld gekommen, wieviel Mühe hat es gemacht, ist es verdient, hat die Tätigkeit ihm oder der Welt genützt oder eher geschadet? Und machen wir uns damit nicht zu Unterstützern einer von Geld regierten Welt, indem wir uns so auch wieder jeder gegen jeden (be)rechnend abgrenzen anstatt uns gefühlsmäßig zu verbinden: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jeder nach seinen Bedürfnissen.

Bei Erich Fromm: „Vom Haben zum Sein“ heißt es dazu: „Warum das Besitzen, Festhalten und Konsumieren von Dingen dem freudvollen Produktivsein in der Gemeinschaft im Wege steht“.
und weiter bei „Die Kunst des Liebens“: für den produktiven, schöpferischen Charakter ist Geben bzw. Schenken kein Verlust und kein Opfer und wird schon gar nicht dadurch erst zur Tugend, sondern ist Ausdruck des eigenen Vermögens und damit erfüllend und freudvoll.

Auf dem Biokulturhof in unserer kleinen Gemeinschaft haben wir jetzt zumindest Anfänge einer gemeinsamen Ökonomie  …..

Wir werden berichten

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